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Avatare, Zitronen und Quadratmeter in der »Zukunftswerkstatt Digitale Transformation«

02. Oktober 2019

Avatare, Zitronen und Quadratmeter in der »Zukunftswerkstatt Digitale Transformation«

 

(tg) Formulierungen wie „No one can escape the transforming fire of machines.” (Kelly, K. 1998, S. 29) oder „Die Digitalisierung wird keine analogen Nischen übrig lassen, alles, was digitalisiert werden kann, wird über kurz oder lang auch digitalisiert werden.“ (Berenberg/HWWI 2015, S. 29) sind sicher zwei extreme Perspektiven auf die Veränderungen, mit denen Unternehmen aller Branchen in jüngster Zeit konfrontiert werden. Sie beschreiben aber doch ganz gut die empfundene (Lebens-)Wirklichkeit vieler Akteure: Vom Menschen erschaffene Technologie, die sich bewusster Steuerung scheinbar entzieht. „Digitalisierung .. [als] ein Prozess, der sich vollzieht .. [der] geschieht.“ (Bunz, M. 2012, S. 63).

Dieser Prozess, dieses „so geschehen“, ereignet sich auf individueller, organisatorischer und gesellschaftlicher Ebene und wird Menschen, Unternehmen und Gesellschaft mit „heikle[n] Herausforderungen“ konfrontieren. Deswegen gilt es zunächst, sich ein Bild von den voraussichtlichen Konsequenzen der Digitalisierung, der Digitalen Transformation und des entstehenden Digitals auf den angesprochenen Ebenen zu machen, um so Chancen und Risiken kalkulier- und auf diese Weise beherrschbar zu machen. (Brynjolfsson/McAffee 2014, S. 20 f.) Welche konkreten individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen eintreten werden, ist noch nicht absehbar. Immer wieder hören und lesen wir, dass wir erst am Beginn gravierender Veränderungen stünden, welche die Komplexität unternehmerischen Handelns noch weiter steigern.

Wie soll man aber künftige Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmer darauf vorbereiten, in einer digitalisierten Welt zum Überleben ihrer Unternehmen beizutragen? Das „Prinzip Computer“ nachzuahmen wird nicht die Lösung sein. Interessanter ist ein Ansatz, der zum pfiffigen Fragen und Querdenken, zum aktiv vernetzenden Denken, verleitet und damit Tätigkeitsaspekte stärkt, die „Digitales“ bisher nicht gut oder gar nicht beherrscht. Zugleich geht es darum, fragend zu erschließen, was mutmaßliche Veränderungen „in der Folge“ bedeuten: eben für Mensch, (Arbeits-)Organisation und Gesellschaft. Darauf aufsetzend lässt sich über die Ausgestaltung, Positionierung, Entwicklung und Steuerung des eigenen Unternehmens und seiner Produkte unter veränderten Rahmenbedingungen ebenso nachdenken wie über gegenwärtig und künftig erforderliche strategische Ressourcen und den Möglichkeiten, diese aus eigener Kraft, kooperativ oder aquirierend aufbauen bzw. erwerben zu können. Warren Berger schreibt 2017 „Eine der wichtigsten Eigenschaften des Fragens besteht darin, dass es Menschen in die Lage versetzt, in einer unsicheren Lage nachzudenken und zu handeln. … Das Fragen hilft uns, ‚unser Denken in Bezug auf das, was wir nicht wissen zu organisieren.‘“

Diesen Gedanken haben wir explizit aufgegriffen und in unserer Auftaktwoche zur »Zukunftswerkstatt Digitale Transformation« aufgearbeitet. In der Veranstaltung haben sich vom 09.09. bis zum 13.09.2019 Studenten verschiedener Studienrichtungen unter theaterpädagogischer und künstlerisch-ästhetischer Begleitung mit Methoden und Fragetechniken der ästhetischen Forschung bekannt gemacht. Darunter Zitronenübung und Quadratmeterforschung als Methoden, die bewusst mit im Alltag unbeachteten Merkmalen oder unterschiedlichen Perspektiven innerhalb festgesetzter Grenzen in der Auseinandersetzung mit einem Untersuchungsgegenstand spielen. Leporello und Lerntagebuch als Arbeitsmittel, die die reflexive Auseinandersetzung mit Untersuchtem fördern, wenn beobachtet, dokumentiert, analysiert, interpretiert, verglichen und bewertet wird. Als Methoden künstlerischer Forschung wurden z. B. die Digitalisierung von Analogem oder die Analogisierung von Digitalem, metaphorische Bilder, biografisches Forschen, kapern, intervenieren, verfremden, verdichten, ordnen, sammeln, archivieren etc. etc. vorgestellt und diskutiert. Welche Interpretationen Digitaler Transformation und ihrer Ergebnisse denkbar sind, zeigten diskutierte Metaphern wie Avatare, Cyborgs, Autopilot, Virtuelle Realität oder Zombies.

Ausgestattet mit Eindrücken, Inspirationen, Methoden und Anregungen haben die Studierenden schließlich „ihre“ jeweilige Frage entwickelt, die sie in den nächsten Wochen beantworten werden. Ihren Erkenntnisprozess werden sie in einem Lerntagebuch festhalten. Ihren Ideen gestaltend Ausdruck verleihen.

Insgesamt besehen hat unsere Veranstaltung am Ende einhellig positives Feedback von den Teilnehmenden erfahren. Insbesondere die studienrichtungs- und damit branchenübergreifende Arbeitsweise hat unisono Anerkennung gefunden.

Als Neuland für uns alle hat sie aber auch reichlich Fläche für Reibung, Auseinandersetzung und Diskussion geboten, so dass auch wir uns mehr als einmal an Kurt Lewins Phaseneinteilung von Veränderungsprozessen erinnert fühlten: Unfreezing, Change, Refreezing. Hatten wir uns zunächst damit auseinanderzusetzen, die Sinnhaftigkeit der Herangehensweise transparent zu machen, ihren Nutzen aufzuzeigen stand anschließend deren eigene Anwendung, das Praktizieren auf der Agenda. Dass das mit Irritationen verbunden ist, war abzusehen und gewollt. Schließlich ist am Ende der Woche jeder Studierende mit einer eigenen Fragestellung, einem Projekt aus der Auftaktwoche gegangen, das im Plenum vorgestellt und am 30.10.2019 im Auditorium präsentiert wird. Dann freuen wir uns z. B. auf Erkenntnisse zu Informationen als Zahlungsmittel, den Einfluss von Digitalisierung auf Wahrnehmung, auf Kommunikationsvorgänge oder zu digitalem Müll und dem digitalisierten Arbeitsplatz.

Spiegel voller Post-It
Thomas Graßmann
Thomas Graßmann
Thomas Graßmann
Tisch voller Zettel
Thomas Graßmann
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Gruppe
Thomas Graßmann
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